KNUD JACOBSEN

Knud Jacobsen wurde am 5. Februar 1928 in Algier als Sohn des Dänen Christian Jacobsen und unserer Grossmutter Tildi Lehmann geboren. Die Familie zog bald darauf nach Montreal in Kanada. 1933 kehrte unsere Grossmutter mit ihrem Sohn Knud alleine nach Thun zurück. Damals verloren Schweizerinnen bei der Heirat mit einem Ausländer ihre Staatsbürgerschaft. Bei der Wiedereinbürgerung geschah das Missgeschick, dass der Nachname in den Papieren fälschlicherweise mit «k» geschrieben wurde: Jakobsen. Unser Vater hat dies zeitlebens nicht akzeptiert und schrieb sich konsequent mit «c»: Jacobsen.
Seine Mutter war eine starke Frau. Die alleinerziehende und berufstätige Frau wohnte mit ihrer Verwandtschaft im Familienhaus an der Gerberngasse in Thun. Dort wuchs unser Vater auf und kam durch seinen Onkel Willi Aeberhard sowie den Lehrer Fritz Bütikofer erstmals intensiv mit der Kunst in Berührung.
Knud Jacobsen begann 1944 die Lehre als Keramikmaler im gleichen Betrieb, in dem auch meine Mutter dieselbe Ausbildung absolvierte. Ihre künstlerischen Stile ergänzten sich perfekt: Er malte figürlich, sie ornamental. Die beiden verliebten sich und wurden ein Paar.
In den Jahren 1947 und 1948 besuchte er die Malschule von Max von Mühlenen in Bern. Es folgte bis 1951 die Kunstgewerbeschule Bern, an der er das grafische Handwerk von Grund auf erlernte. Bereits 1949 bezog er sein erstes eigenes Atelier im Eckturm des Thunerhofs, mit einem wunderbaren Blick auf das Aarebecken. Er arbeitete dort während fünf Jahren, und die ersten künstlerischen Erfolge stellten sich ein.
Unsere Eltern heirateten 1953. Zwei Jahre später kam ich zur Welt, gefolgt von meinen Geschwistern Thomas (1960) und Barbara (1963). Wir wuchsen in Hünibach, in der Wart und am Spittelweg in Thun auf, und erlebten eine schöne Kindheit, geprägt von der Natur und zahlreichen Haustieren.
1954 konnte unser Vater sein neues Atelier an der Freienhofgasse beziehen. Dort waren bereits die Künstler Etienne Clare, Paul Gmünder und der Goldschmied Hans Ittig tätig. Dieses Künstlerhaus war eine spezielle Welt für mich. Das Treppenhaus im grossen Lichthof war grossflächig mit Wandbildern von meinem Vater und seinen Künstlerkollegen bemalt. Als Jüngster der vier hatte mein Vater das Atelier unten, mit Blick in die Gasse. Der Geruch von Ölfarben und Terpentin ist mir bis heute präsent.
Unser Vater war sehr darauf bedacht, seine Utensilien in perfektem Zustand zu halten. So beschaffte er spezielle Fluoreszenzröhren aus den USA, die ein möglichst natürliches Tageslicht abgaben. Er tüftelte unermüdlich an neuen Techniken, um für seine grafischen Werke stets optimale Resultate zu erzielen. Pinsel und Farben waren von bester Qualität, und sein Sortiment an Bleistiften – insbesondere «Fixpencils» – war beeindruckend. Knud Jacobsen war ohne einen solchen Stift kaum vorstellbar. Er wurde zu einem Markenzeichen, genau wie seine grosse Pfeifensammlung, von denen immer eine, manchmal auch im erloschenen Zustand, beharrlich in seinem Mundwinkel steckte. Erst in den letzten Lebensjahren verzichtete unser Päpu aus gesundheitlichen Gründen auf das Rauchen.
Was der Thuner Künstlerclique fehlte, war ein fester Ausstellungsort anstelle der Atelierausstellungen. Bern war zu teuer und zu weit weg. Zusammen mit Emil von Gunten gründeten sie deshalb 1958 die Galerie Aarequai – die einzige Galerie «zwischen der Nydegg in Bern und der Grimsel», wie mein Vater gerne erzählte.
Es folgten für Knud Jacobsen künstlerische Erfolge und zahlreiche Ausstellungen in Thun und der Schweiz, sogar im Ausland. Da die Kunst allein jedoch ein harter Broterwerb ist, verdiente er sein Geld in erster Linie als selbständiger Grafiker. Er gestaltete als Generalist Ausstellungen wie die Thuner OHA, illustrierte Bücher und entwarf unzählige Signete und Logos, die einem in Thun auf Schritt und Tritt begegneten und heute noch begegnen. Viele Plakate für Firmen und Ausstellungen, oft auch für Künstlerkollegen und Kolleginnen, und Buchillustrationen stammen von ihm. Sogar die Busse der städtischen Verkehrsbetriebe Thun fuhren mit seinem Design durch die Stadt. Auch führte er anspruchsvolle wissenschaftliche Zeichnungen für Publikationen der Höhenklinik Heiligenschwendi aus.
In Heiligenschwendi, auf dem Aussichtshügel Vesuv, steht ein von unserem Vater geschaffenes Bergpanorama. Die Arbeit daran verursachte ihm einen schlimmen, einseitigen Sonnenbrand, da er von morgens bis abends dem Lauf der Sonne von Ost nach West folgte. Daraus zog er für sich folgende Lehre: Zeichne ein Panorama immer von West nach Ost. Dann wirst du wenigstens gleichmässig verbrannt.
In den Jahren 1962 und 1963 malte er auf dem Werftgelände Thun die Wandgemälde der Thunersee-Schiffe «Bubenberg» und «Beatus». Als Knabe spielte ich mit den Linoleumresten der Bodenleger, die zur selben Zeit an der Fertigstellung der Schiffe arbeiteten, und mein Vater unterrichtete mich im Linolschnitt und -druck. Auch später blieb Knud Jacobsen der Thuner Seeschifffahrt verbunden: Es entstand eine Speisekarte für die Schiffsrestauration, 1985 das Signet und die Gedenkmedaille zur 150-Jahr-Feier der Schifffahrt, und später eine Jubiläums-Lithografie des Dampfers «Blümlisalp» mit dem Niesen im Hintergrund.
Ein bedeutendes Werk war 1966 die künstlerische Gestaltung der Johanneskirche im Dürrenast, für die unser Vater das Relief der apokalyptischen Reiter schuf. Zum Gesamtwerk gehörten die Motive für die Kirchenglocken. Die Verzierungen aus Bienenwachs applizierte er direkt auf das Wachsmodell der Glocke. In der über 600 Jahre alten Firma Rüetschi in Aarau wurden die Glocken gegossen. Das Giessen mit flüssiger Bronze erfolgt noch heute mit derselben Prozedur wie im Mittelalter. Dieses eindrückliche Ereignis konnte ich miterleben.
Die Beton-Glasfenster im Krematorium Thun von 1969 waren für meinen Vater prägend. Um Eindrücke zu sammeln, unternahm er eine Erkundungstour in den Jura zu Kirchen mit solchen Glasfenstern, bei der ich ihn begleiten durfte. Zwei Jahre intensive Arbeit steckte er in dieses Projekt. Diese Fenster waren ein Auslöser auf seinem Weg zum Aquarell; die Leuchtkraft des Glases wurde zu seinem zentralen Anliegen. Er verfeinerte seine Technik und Farbigkeit bis zur Perfektion.
Ein weiteres wichtiges Werk im öffentlichen Raum von Thun ist sein Betonrelief am 1969 eröffneten Altersheim Sonnmatt, das Emil von Gunten für ihn vergoldete. Jahre später durfte ich als junger Bauleiter das Relief infolge von Umbauarbeiten an seinen heutigen Standort beim Eingang versetzen.
1972 war ein Jahr des Umbruchs für uns. Die Ehe unserer Eltern zerbrach – eine schwierige Zeit für alle, aber auch ein Neuanfang. Unsere Mutter fand einen neuen Partner, und unser Vater fand zu Kathy Dietrich. Kathy begleitete unseren Vater bis an sein Lebensende, umsorgte ihn fürsorglich und war ihm stets eine grosse Stütze. Wir Kinder wussten dies immer sehr zu schätzen.
Künstlerisch blieb Knud Jacobsen stets produktiv. So entstanden die Wandbemalungen des Kursaals Thun (1973, zusammen mit Etienne Clare) und die Bemalung des Bärensaals im Dürrenast (1977). Zu jener Zeit war ich in der beruflichen Ausbildung, und ich teilte mit meinem Vater die Stammbeiz, das «Camino». Ich sass mit meinen Kollegen am kleinen Tisch, während unsere Väter mit dem Beizer Hurneli Kernen am Stammtisch sassen. Knud Jacobsen war ein sehr kommunikativer und vielseitig interessierter Mann mit einem grossen Bekanntenkreis. Oft blätterte ich in seinen zahlreichen Kunstbüchern, staunte über sein Fachwissen und genoss die lebhaften Diskussionen mit ihm.
Allmählich trat der Grafikerberuf in den Hintergrund. Von vielen Reisen mit Kathy Dietrich durch ganz Europa, und immer wieder in die Provence, brachte er Zeichnungen und Aquarelle mit nach Thun. In seinem Atelier, das sich seit 1978 an der Hofstettenstrasse befand, setzte er die Skizzen in grossformatige Öl-, Acryl- und Aquarellbilder um. Die Farben dafür hatte er bereits präzise im Kopf.
Den Grafiker in ihm konnte und wollte er aber nie ganz ablegen. Nach dem Tod von Etienne Clare im Jahr 1975 übernahm er dessen Aufgabe, die Bilder des «Gessler» und des «Karl der Kühne» für die Armbrustschiessen der Thuner Kadetten am «Ausschiesset» zu gestalten – eine Tradition, die er noch lange fortführte. Auch andere Thuner Sujets wie der «Fulehung» oder das Drehorgel-Festival dienten Knud Jacobsen als ständige Motive.
Seine Heimatstadt Thun ehrte Knud Jacobsen 2012 mit dem grossen Kulturpreis.
Auffällig ist, wie seine Bilder im hohen Alter immer farbenprächtiger und lichtdurchfluteter wurden.
Unser Vater konnte seine Berufung bis kurz vor seinem Tod ausüben. Er hat uns ein sehr reiches und unglaublich vielfarbiges Lebenswerk hinterlassen. Mit diesem Buch möchten wir als Kinder einen kleinen Teil seines langen künstlerischen Weges mit Ihnen teilen und sein Wirken ehren.
Daniel Jacobsen